Bei der Unterzeichnung des Kooperationsabkommens in Wien im April 2022 lud Bürgermeister Zoran Janković seinen Amtskollegen Michael Ludwig nach Ljubljana ein. Am 6. Juli 2022 folgte Michael Ludwig dieser Einladung. Bei seinem Besuch berichteten er und Karl Gruber von der Wien Energie unter anderem über das Wiener Energiekonzept und die langjährigen Erfahrungen Wiens in diesem Bereich.
Ljubljana plant seit längerer Zeit, eine thermische Abfallverwertungsanlage zu bauen. Die slowenische Öffentlichkeit ist wegen der möglichen negativen Auswirkungen dieser Anlage auf Menschen und Umwelt besorgt. Bürgermeister Michael Ludwig und der Geschäftsführer der Wien Energie, Karl Gruber, legten mit ihren Ausführungen Erfahrungswerte und Know-how aus Wien dar, um die öffentliche Debatte in Ljubljana mit Sachinformationen zu bereichern.
Bürgermeister Michael Ludwig: "Klimaschutz ist die Aufgabe unserer Zeit. In Wien setzen wir seit mehr als 50 Jahren auf thermische Müllverwertung am höchsten Stand der Technik. Durch die eingesetzten Filterverfahren wird die Abluft der Anlagen sehr, sehr sauber. Die Emissionsgrenzwerte in Österreich zählen zu den strengsten Europas und werden in Wien noch jährlich um ein Vielfaches unterschritten. Ein Drittel der fernwärme-versorgten Haushalte wird in Wien mit Wärme aus den Müllverbrennungsanlagen gedeckt. Durch die zentrale Verwertung mitten in der Stadt sparen wir zudem tausende Kilometer Transportweg jedes Jahr und damit wiederum wertvolle Ressourcen und unnötige Abgase. Im Sommer brauchen wir für die Warmwasserproduktion nichts anderes als unseren Abfall. Hier sind wir völlig unabhängig von russischem Gas oder anderen teuren und umweltschädlichen Energieimporten."
Müll als Energiequelle – dieses Konzept wurde in Wien bereits in den 1960er-Jahren erstmals zur Wärmeversorgung von Spitälern umgesetzt. Mittlerweile verwerten die vier Müllverbrennungsanlagen Spittelau, Flötzersteig, Simmeringer Haide und Pfaffenau jährlich über eine Million Tonnen Abfall. Aus dem Wiener Haus- und Gewerbemüll, dem Klärschlamm und Sondermüll werden Strom und Wärme für Hunderttausende Haushalte gewonnen.
Die Energie, die beim Verbrennen freigesetzt wird, wird über eine Turbine in Strom umgewandelt. Die Wärme wird direkt für die Wärmeversorgung der Stadt verwendet. Die Sauberkeit des Prozesses ist dabei oberste Priorität. Die gesetzlichen Grenzwerte für Emissionen in den Müllverbrennungsanlagen werden im Jahresschnitt um 90 Prozent unterschritten. Die Rückstände der thermischen Behandlung bestehen überwiegend aus Schlacke. Diese wird von der Stadt Wien als Material im Deponiebau verwendet.
Die Müllverbrennungsanlage Spittelau ist nicht nur eine wertvolle Energiequelle, sondern auch ein Wiener Wahrzeichen. Die von Umweltschützer, Naturfreund und Künstler Friedensreich Hundertwasser gestaltete Vorzeigeanlage wird jedes Jahr von 10.000 internationalen Delegationen und Besucher*innen aufgesucht.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz präsentierte der technische Direktor von Energetika Ljubljana, Marko Agrež, die Planungen von Ljubljana. Bereits am 22. Juni 2022 hatte er in Wien die Müllverwertungsanlage Pfaffenau besichtigt und sich mit Wiener Expert*innen ausgetauscht.
Slowenien, insbesondere die Hauptstadt Ljubljana, hat in den letzten Jahren deutliche Fortschritte im Abfallsektor gemacht, besonders im Bereich der Mülltrennung. Große Investitionen wurden auch in Sortieranlagen für Siedlungsabfälle getätigt. Ende 2015 wurde das regional Abfallwirtschaftszentrum Ljubljana (RCERO Ljubljana), das größte Umweltprojekt in Slowenien und die modernste Anlage zur Abfallbehandlung in Europa, in Betrieb genommen. Das Zentrum wurde mit 77,5 Millionen Euro vom europäischen Kohäsionsfonds unterstützt und ist ein gutes Beispiel für regionale Zusammenarbeit. Im Zentrum wird ein Drittel aller Abfälle in Slowenien behandelt. Nun soll in Ljubljana auch eine Müllverwertungsanlage entstehen, nicht nur um Abfälle besser behandeln zu können, sondern auch um den wachsenden Energiebedarf zu decken.